Von Jutta Kehr.

1989 – Innenarchitektin in der DDR: Ich arbeitete als Innenarchitektin in einem VEB Kombinat, dessen Tätigkeitsfeld Handel und Einrichtung mit Geräten für Großküchen und Läden war. Auf dem „Nebengleis“ wurden von Innenarchitekt/innen Gasträume, Hotels und Läden gestaltet. Ich hatte die höchste Designauszeichnung der DDR bekommen und fiel dann tief „zur Bewährung in der Produktion“, weil ich mich der Partei verweigerte.

Die Zentralisierung nach Berlin der 80er förderte in der DDR die Akzeptanz der Innenarchitektur. In Berlin wollte man Metropole sein, sich mit der großen Welt vergleichen. Wir Innenarchitekt/innen erlebten eine kreative Zeit. Manches war möglich, der Mangel nicht immer spürbar, die Ergebnisse durchaus interessant. Kurioserweise durfte ich westliche Fachzeitschriften lesen, um den internationalen Designstand zu kennen. Hin und wieder fand ich eine Notiz über den BDIA. Ich fand das interessant. In der DDR waren mit bester gegenseitiger Akzeptanz alle Fachrichtungen im BdA, dem Bund deutscher Architekten DDR  vereint.

1990 – die friedliche Revolution: Sie überraschte mich im Schlaf.  Nach einer eiskalten Donnerstagsdemo endete mein Tag bei heißem Tee ohne Nachrichten. Als ich in morgens von der Grenzöffnung erfuhr, waren meine Gedanken nicht beim BDIA, sondern in der große weiten Welt: Paris, London, Rom, Barcelona, New York! Doch bald suchte ich den Kontakt zum BDIA und der Anlass war sehr pragmatisch und mir damals sogar etwas unangenehm: Ich wollte zur imm nach Köln fahren, konnte mir aber die sündhaft teure Eintrittskarte nicht leisten. Von meinem volkseigenen Telefon rief ich in beim BDIA in Bonn an, perplex und hocherfreut, als sich freudig Frau Priesnitz meldete. Schnell lag eine Messekarte für mich bereit, so einfach war das alles geworden.

Danach hat mich der BDIA nicht mehr losgelassen (ich bin ein treuer Mensch). Eine turbulente Zeit begann. So vieles prasselte auf mich ein. Kollegen auf Joint Venture-Tour, die Mahnung von Westen Richtung Osten, Regularien zu schaffen, die Würze der Freiheit und die schleichende Gewissheit, künftig für alles selbst verantwortlich zu sein, alles selbst in der Hand zu haben. Aufregende Zeiten für eine Frau der Tat! Wenn schon Regularien, dann nur durch Mitgestaltung. Natürlich war ich Gründungsmitglied des BDIA Ost 1990 in Berlin und  der Architektenkammer Thüringen. Für die Gründung des Landesverbandes Thüringen kam Rüstzeug aus Bonn und Hessen. Erika Schubert kam nach Weimar angereist zur Unterstützung. Charismatische Persönlichkeiten wie Lisa Winkler oder Prof. Carl Holste ließen keinen Zweifel, wie wichtig wir Innenarchitekt/innen aus dem Osten für den BDIA sind. Nein, es waren nicht die materiellen Vorteile wie kostenlose Zeitungen, Handbuch oder Messekarten, die den BDIA wichtig für mich machten. Es waren das Miteinander und die Kraft des Verbandes, wichtige Weichen für den Berufsstand zu stellen. Seit 2015 ist im Präsidium der Osten leider nicht mehr vertreten (und keiner hat protestiert). Ist also zusammengewachsen, was zusammengehört?

Jutta Kehr war Landesvorsitzende des BDIA Thüringen 1992, sowie von 2000 – 2003, außerdem BDIA Vizepräsidentin von 2004 – 2011.
Seit 2013 ist Jutta Kehr Ehrenmitglied im BDIA.

Erschienen in der AIT 4/2016